Bremen, 2023
→ Imke Bullerkist
Deep Field Seid ihr wheel?
»Hubble Deep Field (HDF), auch Hubble-Tiefenfeld, ist ein mit dem Hubble-Weltraumteleskop erstelltes Gesamtbild eines recht kleinen Teils des Sternenhimmels, aufgenommen im Dezember 1995 mit damals maximaler technisch möglicher Auflösung. Ausgewählt für das Tiefenfeld wurde ein Bereich des Himmels, der nur wenige verhältnismäßig ›nahe‹ Sterne und Objekte der Milchstraße enthält, so dass Licht von weit entfernten Galaxien bis zu einer Entfernung von etwa 12 Milliarden Lichtjahren gut beobachtet werden konnte. Die Aufnahmen des Hubble Deep Field ermöglichen damit die Untersuchung der Entwicklung von Galaxien im frühen Universum.« [1]
Fotografie bringt etwas aus der Entfernung zu mir. Das Motiv kann mir fremd oder vertraut sein. Ich staune genauso über das mir Unbekannte, wie ich eine fremde Perspektive auf das mir Vertraute betrachte. Gleichzeitig stehe ich der Fotografie unmittelbar gegenüber und sage ihr ins Gesicht: »Ich weiß, was du bist.« Du bist Abbild, du zeigst Realität. Selbst die Eingriffe der Bildbearbeitung akzeptiere ich als etwas, das der Mensch der Realität anzutun vermag, um sich selbst als Wesen mit technischen Fähigkeiten zu erkennen und zu zeigen. Die Fotografie ist Vehikel von Botschaften mit verschiedenen Wichtigkeitsgraden auf einer Skala von banal bis relevant. Sie ist Medium aller Diskurse.
Zwei Dinge fallen mir bei der Betrachtung der Arbeit Seid ihr wheel? von A. K. und T. H. schnell auf. Zum einen fühle ich mich etwas schwach vor ihr, weil sie sich mir sprachlich zu entziehen scheint. Alles, was ich sagen könnte, wird schnell zur Plattitüde. Die Arbeit scheint sich mir in einer Weise zu verweigern, dass ich fast ein wenig wütend werde. (There are cars, light and darkness.) Das Andere ist der hohe Grad an Künstlichkeit, der in den Bildern steckt. Sie sind so artifiziell, dass ich vor dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrungen kaum an etwas anknüpfen kann. Ich suche nach einem Narrativ und finde keins. So werden meine zwei Beobachtungen eigentlich zu einer.
Selbst wenn die Fotografie offensichtlich idealisierte Realität wiedergibt, akzeptieren wir diese als Spiegel unserer Wünsche und Verallgemeinerung. Vielleicht ahnen wir sogar, dass wir Realität und Wahrheit sowieso selber herstellen. Ich sehe also 7 Bilder von enormer Künstlichkeit. Ich suche nach Überzeichnung, Bildmanipulation oder Schön- heitschirurgie und bekomme Nüchternheit. Ich sehe Zitate, Referenzen, Hochkultur in Styropor, Kitsch, Versace Imitat, Statussymbole, Stephen Kings Unbehagen in »Christine« [2] und Pose. Aber ich kann kein Zentrum ausmachen und mich auf nichts einigen. Auf der Ebene der Objekthaftigkeit herrscht Gleichberechtigung. Selbst der Mensch verliert sein Subjekt. Alles und nichts ist Staffage. Trotz aller Wiederholungen entsteht ein Vakuum-
Die Bilder be- und enthaupten und der Autor ist tot. Nach der Inflation der Zeichen kann es keinen Sinn mehr geben. Selbst Bewegung wird durch ein Zeichen für Bewegung repräsentiert. So offensichtlich steht das Auto, so offensichtlich ist der Zopf für seinen Schwung zu schwer. A. K. und T. H. haben der Fotografie Platz gemacht. Sie sind das Achsdifferential, das die Drehzahl der Räder ausgleicht, um hören zu können, was die Bilder zu sagen haben. Sie haben den hyperrealen Raum geschaffen, in dem nur ein Echo die Stille durchdringen kann. Zu guter letzt, in diesem Text oder im letzten Satz der Oper, stürzt der Artist in stillem Getöse aus einem Wagen und schließt den Kreis und das Ende wird zum Anfang.
Ich glaube, in diesen Bildern geschieht etwas, was in Malerei und Video schon lange erlaubt ist.