Fig. B, 2019
Dichroic-Folienbeschichtetes Glas, Glas, Kreidespray, Spiegel, Vinyl, Wellpappe
Grundfläche ca. 10 x 12 m
Installationsansichten:
Westfälischer Kunstverein, Münster
Fotos: Thorsten Arendt
Fig. B sind zwei identische, aber zueinander um 45 ̊gedreht und 180 ̊ gespiegelte Formen,die mit je einer Grundfläche von ca. 10 x 12 m auf dem Boden liegen.
Auszug aus Saaltext zur Ausstellung
»Anne Krönker. Material- und Raumstudien. 05.–07.09.2019.« Anlässlich einer Ausstellung er- scheint häufig ein Katalog. In diesem Fall ist es umgekehrt: Zu einem Katalog eröffnet eine Ausstellung mit dem Titel »Fig.: Material- und Raumstudien« von Anne Krönker. Fig. ist die geschriebene Abkürzung für Figur, die eine Abbildung erst als solche klassifiziert und sie als Erläuterung sowie Orientierung zu Texten verortet. Die Ausstellung »Fig.: Material- und Raumstudien« ist abbildende Ergänzung zu dem Katalog »Glossar, 2019«. Herausgegeben in Kooperation mit dem Westfälischen Kunstverein und gestaltet durch das Cabinet Gold van d’Vlies, ver- eint »Glossar, 2019« die Gedanken von 35 Autor*innen unterschiedlicher kunstferner und -naher Professionen zur Frage nach dem »Was ist ... ?«, die Anne Krönker sich selbst und ihnen gestellt hat. Drei Fotograf*innen haben vorangegangene Setzungen bildlich erfasst. Die Ausstellung »Fig.: Material- und Raumstudien« reagiert auf diese unterschiedlichen subjektiven Sichtweisen und übersetzt sie in eine räumliche Variante (hier nebenstehend Fig. B) für den Westfälischen Kunstverein.
— Kristina Scepanski, Direktorin Westfälischer Kunstverein, Münster
Fig. B, 2019
Dichroic-filmcoated glass, glass, spray crayon, mirror, vinyl, corrugated cardboard
Base area à shape approx. 10 x 12 m
Installation views:
Westfaelischer Kunstverein, Muenster
Photos: Thorsten Arendt
Fig. B are two identical forms, but rotated 45 ̊ to each other and mirrored 180 ̊, each with a footprint of approximately 10 x 12 m on the floor.
Excerpt from the text of the exhibition
«Anne Krönker. Material- und Raumstudien. 05.–07.09.2019.» On the occasion of an exhibition often a catalog is published. In this case, it is the other way around: to accompany a catalog opens an exhibition entitled «Fig.: Material and Spatial Studies» by Anne Krönker. Fig. is the written abbreviation for figure, which first classifies an illustration as such and locates it as an explanation as well as orientation to texts. The exhibition «Fig.: Material and Spatial Studies» is illustrative complement to the catalog «Glossary, 2019». Published in cooperation with the Westfälischer Kunstverein and designed by Cabinet Gold van d‘Vlies, «Glossary, 2019» brings together the thoughts of 35 authors of different professions, both remote from and close to art, on the question of «What is ... ?», which Anne Krönker has posed to herself and to them. Three photographers have pictorially captured the preceding settings. The exhibition «Fig.: Material and Spatial Studies» reacts to these different subjective perspectives and translates them into a spatial variant (here Fig. B) for the Westfälischer Kunstverein.
— Kristina Scepanski, Director Westfälischer Kunstverein, Münster
Bremen, 2023
→ Imke Bullerkist
Deep Field Seid ihr wheel?
»Hubble Deep Field (HDF), auch Hubble-Tiefenfeld, ist ein mit dem Hubble-Weltraumteleskop erstelltes Gesamtbild eines recht kleinen Teils des Sternenhimmels, aufgenommen im Dezember 1995 mit damals maximaler technisch möglicher Auflösung. Ausgewählt für das Tiefenfeld wurde ein Bereich des Himmels, der nur wenige verhältnismäßig ›nahe‹ Sterne und Objekte der Milchstraße enthält, so dass Licht von weit entfernten Galaxien bis zu einer Entfernung von etwa 12 Milliarden Lichtjahren gut beobachtet werden konnte. Die Aufnahmen des Hubble Deep Field ermöglichen damit die Untersuchung der Entwicklung von Galaxien im frühen Universum.« [1]
Fotografie bringt etwas aus der Entfernung zu mir. Das Motiv kann mir fremd oder vertraut sein. Ich staune genauso über das mir Unbekannte, wie ich eine fremde Perspektive auf das mir Vertraute betrachte. Gleichzeitig stehe ich der Fotografie unmittelbar gegenüber und sage ihr ins Gesicht: »Ich weiß, was du bist.« Du bist Abbild, du zeigst Realität. Selbst die Eingriffe der Bildbearbeitung akzeptiere ich als etwas, das der Mensch der Realität anzutun vermag, um sich selbst als Wesen mit technischen Fähigkeiten zu erkennen und zu zeigen. Die Fotografie ist Vehikel von Botschaften mit verschiedenen Wichtigkeitsgraden auf einer Skala von banal bis relevant. Sie ist Medium aller Diskurse.
Zwei Dinge fallen mir bei der Betrachtung der Arbeit Seid ihr wheel? von A. K. und T. H. schnell auf. Zum einen fühle ich mich etwas schwach vor ihr, weil sie sich mir sprachlich zu entziehen scheint. Alles, was ich sagen könnte, wird schnell zur Plattitüde. Die Arbeit scheint sich mir in einer Weise zu verweigern, dass ich fast ein wenig wütend werde. (There are cars, light and darkness.) Das Andere ist der hohe Grad an Künstlichkeit, der in den Bildern steckt. Sie sind so artifiziell, dass ich vor dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrungen kaum an etwas anknüpfen kann. Ich suche nach einem Narrativ und finde keins. So werden meine zwei Beobachtungen eigentlich zu einer.
Selbst wenn die Fotografie offensichtlich idealisierte Realität wiedergibt, akzeptieren wir diese als Spiegel unserer Wünsche und Verallgemeinerung. Vielleicht ahnen wir sogar, dass wir Realität und Wahrheit sowieso selber herstellen. Ich sehe also 7 Bilder von enormer Künstlichkeit. Ich suche nach Überzeichnung, Bildmanipulation oder Schön- heitschirurgie und bekomme Nüchternheit. Ich sehe Zitate, Referenzen, Hochkultur in Styropor, Kitsch, Versace Imitat, Statussymbole, Stephen Kings Unbehagen in »Christine« [2] und Pose. Aber ich kann kein Zentrum ausmachen und mich auf nichts einigen. Auf der Ebene der Objekthaftigkeit herrscht Gleichberechtigung. Selbst der Mensch verliert sein Subjekt. Alles und nichts ist Staffage. Trotz aller Wiederholungen entsteht ein Vakuum-
Die Bilder be- und enthaupten und der Autor ist tot. Nach der Inflation der Zeichen kann es keinen Sinn mehr geben. Selbst Bewegung wird durch ein Zeichen für Bewegung repräsentiert. So offensichtlich steht das Auto, so offensichtlich ist der Zopf für seinen Schwung zu schwer. A. K. und T. H. haben der Fotografie Platz gemacht. Sie sind das Achsdifferential, das die Drehzahl der Räder ausgleicht, um hören zu können, was die Bilder zu sagen haben. Sie haben den hyperrealen Raum geschaffen, in dem nur ein Echo die Stille durchdringen kann. Zu guter letzt, in diesem Text oder im letzten Satz der Oper, stürzt der Artist in stillem Getöse aus einem Wagen und schließt den Kreis und das Ende wird zum Anfang.
Ich glaube, in diesen Bildern geschieht etwas, was in Malerei und Video schon lange erlaubt ist.