Tobias Hübel / Anne Krönker
Seid ihr wheel?
2023
Pigmentdruck
7 verschiedene Motive
124 x 94 cm, 71,5 x 94 cm, 94 x 124 cm
Auflage pro Motiv 5 (+2 AP)
Maske: Setareh Nematollahi
Retusche: Philipp Lohöfener
Deep Field »Seid ihr wheel?«
»Hubble Deep Field (HDF), auch Hubble-Tiefenfeld, ist ein mit dem ⇝ Hubble-Weltraumteleskop erstelltes Gesamtbild eines recht kleinen Teils des ⇝ Sternenhimmels, aufgenommen im Dezember 1995 mit damals maximaler technischmöglicher ⇝ Auflösung. Ausgewählt für das Tiefenfeld wurde ein Bereich des Himmels, der nur wenige verhältnismäßig »nahe« ⇝ Sterne und Objekte der ⇝ Milchstraße enthält, so dass Licht von weit entfernten ⇝ Galaxien bis zu einer Entfernung von etwa 12 Milliarden ⇝ Lichtjahren gut beobachtet werden konnte. Die Aufnahmen des Hubble Deep Field ermöglichen damit die Untersuchung der Entwicklung von Galaxien im frühen Universum.« [⇝ 1]
Fotografie bringt etwas aus der Entfernung zu mir. Das Motiv kann mir fremd oder vertraut sein. Ich staune genauso über das mir Unbekannte, wie ich eine fremde Perspektive auf das mir Vertraute betrachte. Gleichzeitig stehe ich der Fotografie unmittelbar gegenüber und sage ihr ins Gesicht: »Ich weiß, was du bist.« Du bist Abbild, du zeigst Realität. Selbst die Eingriffe der Bildbearbeitung akzeptiere ich als etwas, das der Mensch der Realität anzutun vermag, um sich selbst als Wesen mit technischen Fähigkeiten zu erkennen und zu zeigen. Die Fotografie ist Vehikel von Botschaften mit verschiedenen Wichtigkeitsgraden auf einer Skala von banal bis relevant. Sie ist Medium aller Diskurse.
Zwei Dinge fallen mir bei der Betrachtung der Arbeit »Seid ihr wheel?« von A. K. und T. H. schnell auf. Zum einen fühle ich mich etwas schwach vor ihr, weil sie sich mir sprachlich zu entziehen scheint. Alles, was ich sagen könnte, wird schnell zur Plattitüde. Die Arbeit scheint sich mir in einer Weise zu verweigern, dass ich fast ein wenig wütend werde.
(There are cars, light and darkness.) Das Andere ist der hohe Grad an Künstlichkeit, der in den Bildern steckt. Sie sind so artifiziell, dass ich vor dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrungen kaum an etwas anknüpfen kann. Ich suche nach einem Narrativ und finde keins. So werden meine zwei Beobachtungen eigentlich zu einer.
Selbst wenn die Fotografie offensichtlich idealisierte Realität wiedergibt, akzeptieren wir diese als Spiegel unserer Wünsche und Verallgemeinerung. Vielleicht ahnen wir sogar, dass wir Realität und Wahrheit sowieso selber herstellen. Ich sehe also 7 Bilder von enormer Künstlichkeit. Ich suche nach Überzeichnung, Bildmanipulation oder Schön- heitschirurgie und bekomme Nüchternheit. Ich sehe Zitate, Referenzen, Hochkultur in Styropor, Kitsch, Versace Imitat, Statussymbole, Stephen Kings Unbehagen in »Christine« [⇝ 2] und Pose. Aber ich kann kein Zentrum ausmachen und mich auf nichts einigen. Auf der Ebene der Objekthaftigkeit herrscht Gleichberechtigung. Selbst der Mensch verliert sein Subjekt. Alles und nichts ist Staffage. Trotz aller Wiederholungen entsteht ein Vakuum.
Die Bilder be- und enthaupten und der Autor ist tot. Nach der Inflation der Zeichen kann es keinen Sinn mehr geben. Selbst Bewegung wird durch ein Zeichen für Bewegung repräsentiert. So offensichtlich steht das Auto, so offensichtlich ist der Zopf für seinen Schwung zu schwer. A. K. und T. H. haben der Fotografie Platz gemacht. Sie sind das Achsdifferential, das die Drehzahl der Räder ausgleicht, um hören zu können, was die Bilder zu sagen haben. Sie haben den hyperrealen Raum geschaffen, in dem nur ein Echo die Stille durchdringen kann. Zu guter letzt, in diesem Text oder im letzten Satz der Oper, stürzt der Artist in stillem Getöse aus einem Wagen und schließt den Kreis und das Ende wird zum Anfang.
Ich glaube, in diesen Bildern geschieht etwas, was in Malerei und Video schon lange erlaubt ist.
[1] Hubble Deep Field. (2022, 23.02.23). In: Wikipedia. ⇝ https://de.wikipedia.org/wiki/ Hubble_Deep_Field.
[2] King, Stephen. (1983). Christine. New York/ USA, Viking Press. (⇝ Online lesen: Internet Archiv Open Library).
— Imke Bullerkist,
Bildende Künstlerin, Bremen
Tobias Hübel / Anne Krönker
Seid ihr wheel?
2023
Pigment print
7 different motifs
124 x 94 cm, 71,5 x 94 cm, 94 x 124 cm
Edition per motif 5 (+2 AP)
Make up: Setareh Nematollahi
Retouching: Philipp Lohöfner
Deep Field »Are You Wheel?«
«Hubble Deep Field (HDF), also Hubble Deep Field, is an overall image of a fairly small portion of the ⇝ night sky taken with the ⇝ Hubble Space Telescope in December 1995 at the maximum ⇝ resolution technically possible at that time. A region of the sky containing only a few relatively «close» ⇝ stars and objects of the ⇝ Milky Way was selected for the Deep Field, so that light from distant galaxies could be well observed up to a distance of about 12 billion ⇝ light-years. Thus, Hubble Deep Field images allow studying the evolution of ⇝ galaxies in the early universe.» [⇝ DE 1; (⇝ EN 1)]
Photography brings something from a distance to me. The subject may be unknown or familiar to me. I marvel at what is unfamiliar to me in the same way as I see a foreign perspective on what is familiar to me. Simultaneously, I encounter the photographs directly and speak towards its face, «I know what you are.» You are an image, you show reality. I even accept the acts of image editing as something that humans can do to reality in order to recognize and reveal themselves as beings with technical abilities. Photography is a vehicle for messages of varying degrees of importance, ranging from banal to relevant. It is a medium of all discourse.
Viewing the work «Are You Wheel?» by A.K. and T.H., two things quickly strike me. First, I feel somewhat weak in front of it because it seems to elude me linguistically. Anything I might be able to say quickly becomes a platitude. The work seems to refuse me in a way that I almost get a little angry. (There are cars, light and darkness.) The other thing is the high degree of artificiality, which the images inherent. They are so artificial that I can hardly connect to anything on the basis of my own experience. I look for a narrative and find none. Thus, my two observations actually become one.
Even if photography obviously reproduces idealized reality, we accept it as a mirror of our desires and generalizations. Perhaps we even suspect that we manufacture reality and truth ourselves anyway. Hence, I see 7 images of enormous artificiality. I look for exaggeration, image manipulation or plastic surgery and receive sobriety. I see quotes, references, high culture in styrofoam, kitsch, Versace imitation, status symbols, Stephen King's discomfort in «Christine» [⇝ 2], and pose. But I cannot pinpoint a center or agree on anything. On the level of objecthood, equality prevails. Even a human loses their subject. Everything and nothing is staffage.
Despite all the repetitions, a vacuum is created. The images claim and decapitate, and the author is dead. After the inflation of signs, there can be no more sense. Even movement is represented by a sign for movement. So obviously, the car stands, so obviously, the braid is too heavy for its own swing. A.K. and T.H. gave way to photography. They are the axle differential that balances the speed of the wheels to be able to hear what the images have to say. They have created the hyperreal space where only an echo can penetrate the silence. Last but not least, in this text or in the last movement of the opera, silently roaring, the artist falls out of a vehicle and closes the circle, and the end becomes the beginning.
I think something happens in these photographs that has long been allowed in painting and video.
[DE 1] Hubble Deep Field. (2023, 23.02.23). In: Wikipedia. ⇝ https://de.wikipedia.org/wiki/Hubble_Deep_Field.
[EN 1] Hubble Deep Field. (2023, 23.02.23). In: Wikipedia. ⇝ https://en.wikipedia.org/wiki/Hubble_Deep_Field.
[2] King, Stephen. (1983). Christine. New York/USA, Viking Press. (⇝ Read online: Internet Archiv Open Library).
— Imke Bullerkist,
Visual Artist, Bremen
(translation by ⇝ DeepL)
Bremen, 2023
→ Imke Bullerkist
Deep Field Seid ihr wheel?
»Hubble Deep Field (HDF), auch Hubble-Tiefenfeld, ist ein mit dem Hubble-Weltraumteleskop erstelltes Gesamtbild eines recht kleinen Teils des Sternenhimmels, aufgenommen im Dezember 1995 mit damals maximaler technisch möglicher Auflösung. Ausgewählt für das Tiefenfeld wurde ein Bereich des Himmels, der nur wenige verhältnismäßig ›nahe‹ Sterne und Objekte der Milchstraße enthält, so dass Licht von weit entfernten Galaxien bis zu einer Entfernung von etwa 12 Milliarden Lichtjahren gut beobachtet werden konnte. Die Aufnahmen des Hubble Deep Field ermöglichen damit die Untersuchung der Entwicklung von Galaxien im frühen Universum.« [1]
Fotografie bringt etwas aus der Entfernung zu mir. Das Motiv kann mir fremd oder vertraut sein. Ich staune genauso über das mir Unbekannte, wie ich eine fremde Perspektive auf das mir Vertraute betrachte. Gleichzeitig stehe ich der Fotografie unmittelbar gegenüber und sage ihr ins Gesicht: »Ich weiß, was du bist.« Du bist Abbild, du zeigst Realität. Selbst die Eingriffe der Bildbearbeitung akzeptiere ich als etwas, das der Mensch der Realität anzutun vermag, um sich selbst als Wesen mit technischen Fähigkeiten zu erkennen und zu zeigen. Die Fotografie ist Vehikel von Botschaften mit verschiedenen Wichtigkeitsgraden auf einer Skala von banal bis relevant. Sie ist Medium aller Diskurse.
Zwei Dinge fallen mir bei der Betrachtung der Arbeit Seid ihr wheel? von A. K. und T. H. schnell auf. Zum einen fühle ich mich etwas schwach vor ihr, weil sie sich mir sprachlich zu entziehen scheint. Alles, was ich sagen könnte, wird schnell zur Plattitüde. Die Arbeit scheint sich mir in einer Weise zu verweigern, dass ich fast ein wenig wütend werde. (There are cars, light and darkness.) Das Andere ist der hohe Grad an Künstlichkeit, der in den Bildern steckt. Sie sind so artifiziell, dass ich vor dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrungen kaum an etwas anknüpfen kann. Ich suche nach einem Narrativ und finde keins. So werden meine zwei Beobachtungen eigentlich zu einer.
Selbst wenn die Fotografie offensichtlich idealisierte Realität wiedergibt, akzeptieren wir diese als Spiegel unserer Wünsche und Verallgemeinerung. Vielleicht ahnen wir sogar, dass wir Realität und Wahrheit sowieso selber herstellen. Ich sehe also 7 Bilder von enormer Künstlichkeit. Ich suche nach Überzeichnung, Bildmanipulation oder Schön- heitschirurgie und bekomme Nüchternheit. Ich sehe Zitate, Referenzen, Hochkultur in Styropor, Kitsch, Versace Imitat, Statussymbole, Stephen Kings Unbehagen in »Christine« [2] und Pose. Aber ich kann kein Zentrum ausmachen und mich auf nichts einigen. Auf der Ebene der Objekthaftigkeit herrscht Gleichberechtigung. Selbst der Mensch verliert sein Subjekt. Alles und nichts ist Staffage. Trotz aller Wiederholungen entsteht ein Vakuum-
Die Bilder be- und enthaupten und der Autor ist tot. Nach der Inflation der Zeichen kann es keinen Sinn mehr geben. Selbst Bewegung wird durch ein Zeichen für Bewegung repräsentiert. So offensichtlich steht das Auto, so offensichtlich ist der Zopf für seinen Schwung zu schwer. A. K. und T. H. haben der Fotografie Platz gemacht. Sie sind das Achsdifferential, das die Drehzahl der Räder ausgleicht, um hören zu können, was die Bilder zu sagen haben. Sie haben den hyperrealen Raum geschaffen, in dem nur ein Echo die Stille durchdringen kann. Zu guter letzt, in diesem Text oder im letzten Satz der Oper, stürzt der Artist in stillem Getöse aus einem Wagen und schließt den Kreis und das Ende wird zum Anfang.
Ich glaube, in diesen Bildern geschieht etwas, was in Malerei und Video schon lange erlaubt ist.